Ein langer Tag an Bord
von Stefan Popp


08.00 Uhr Frühstück. Davor Wetterbericht. Man kündigt uns Gewitter an. Mal sehn´. Am letzten Tage der Charterwoche lässt der Drill merklich nach und wir lassen alles locker schleifen. So heben wir gegen

10.00 Uhr den vermaledeiten Anker auch ohne Original-Bedienelement. Durch einen Seewasser-Wackler mussten wir improvisieren. Man nehme zwei Kabel und schiebe die Isolierung etwas auf, um einen manuellen Betrieb mit anschließendem Stromschlag zu erhalten. Wer hätte dies gedacht, gibt doch der Motor der Ankerwinsch noch ein paar nette Schaltspitzen ab... Also dicke Isolierhandschuhe über und geerdeten Fußzeh und schon war der Anker an Bord. Mit herrlich drehenden Winden die Küste entlang nach NW – zicke-zacke eben. Und zum Tanken nach Biograd, wo uns ein einmaliges Schauspiel erwartete. Auf die Idee, nicht im Heimathafen Sukosan mit vielen dutzenden anderen Böötchen zu tanken, kamen eben diese dutzend anderen Böötchen auch. Und die standen mit uns vor Biograd. Oder war es eher ein Warten mit leichten Drängelversuchen? Oder ein Vorbeiziehen mit Unschuldsmiene?

11.30 Uhr Wir stehen auf Reede vor Biograd. Abgründe der menschlichen Seele tun sich auf. List und Tücke, Ablenkungsmanöver. All dies konnten wir beobachten, als wir geduldig auf Warteposition 5 (oder 6) vor der Tanke warteten. Links neben dieser Tanke ist der Fährhafen, aus welchem in regelmäßigen Abständen die Fähren ab- oder anlegen. Immer wieder durch den Pulk der Wartenden vor der Tankstelle. Kurz gehupt und durch. Und wieder neu sortieren. Halt! - war der Italiener nicht vorher hinter uns? Wo kommt nun der Österreicher her? Obacht! - da macht einer unsere Kiellinie streitig! Der Skipper weilt kurz mit dem Gedanken, über die Reihenfolge Buch zu führen. Wir haben Glück, dass unser Vordermann einen Drängler zur Ordnung ruft - dank italienischer Gestik ein nettes Spektakel. Aber es galt ja auch nur einem sehr Gewieften, der sich - ohne dass wir es merkten - an uns vorbei geschoben hatte. Kaum zwei Stunden später waren wir dran. Volltanken für 70 Euro ist für eine Woche mit Motorstrecken ein Gedicht.

Um 13.00 Uhr ablegen und mit erhobenen Hauptes durch die Wartenden. Ein befreiendes Gefühl. Weiter mit vollen Laken gegenan, bis der Wunsch nach Essen ertönt. Eine nette Bucht mit Wracks auf der Karte gefunden und wieder Anker - autsch, weil Stromstöße - ins Wasser.

14.30 Uhr Leckeres Mittagessen mit Kühlschrankaufräumsoße... Die eingezeichneten Wracks hatten unsere volle Aufmerksamkeit. Also Dingi klar und zwei Taucher mit Kamera in das nasse Etwas geschickt. Doch kein Wrack weit und breit. Zum Teufel noch mal, wo ist der gesunkene Schatz? Die Reiseleitung versprach uns Gold und Silber und alle Klunker dieser Welt... Nichts war´s. Ein paar Fische tanzten dafür vor unserer Kamera. Irgendwie hatten die so ein mitfühlendes Grinsen im Gesicht - "He-he-he - wieder mal Touris drangekriegt".

16.00 Uhr Nach mehreren Tauchgängen von Rolf, dem Kameramann und Stefan, seinem Assistenten holten wir mit elektrischem Zittern in den Händen (Schutzhandschuhe vergessen) den Anker auf und segelten nach Sukosan zurück. Volle Lampe mit über 8 kn bei doch nur 3 Bft. Wind. Der Zossen läuft extrem gut. Ich glaube, unser Thomy wollte gnadenlos jede Segelmeile aussegeln, so kurz vor dem Heimathafen. Erst im letzten Moment, als man das Helle in den Augen des Leuchtturmwärters sehen konnte, riss er die die Wende an. Sein REEEEEEEEE schallte mit mindestens 110 db(A) über den Kanal. Andere Schiffe wendeten darauf hin auch, er hatte sie sichtlich irritiert. Und weiter ging es bis zum letzen Meter der Hafeneinfahrt. Natürlich freuten wir uns mit vollem Tank auf das übliche Wartespektakel, welches aber ausblieb, nachdem ja bekanntermaßen alle Schiffe der mittleren Adria mit uns gemeinsam vor Biograd zum Tanken lagen. Der Wind stand gegen an, und so lagen 5-7 Yachten mit Achterleinen ohne Anker und Mooring vor der Sukosan-Tankstelle, ein geschicktes Manöver und sehr platzsparend.

18.00 Uhr oder etwas früher gingen wir an den Steg zurück. Ein sauberes Manöver ohne nerviges Gerufe zeichnet die eingeschworene Crew aus. Ob man die Blindenbinde wieder setzen könnte? Wir sind da. Irgendwie froh, dass alles ohne Schaden, Unfall und Sturm abgegangen ist. Eine sehr saubere Segelwoche, muss ich sagen. Und wo bleibt jetzt das Gewitter?

19.00 Uhr Gewitter im Anmarsch. Es geht sehr flott. Der Wind brist auf 4-5 Bft. Es wird dunkel, bleibt aber trocken und schwül. Wir laufen in den Ort, um den Abend ausklingen zu lassen. Da sehen wir eine 50er Bavaria, die sich in einer oder zwei Moorings verfangen hatte. Bei dem Wind auf der Breitseite keine Seltenheit. Aber dann kam ein Spektakel, wie es filmreif nicht hätte besser sein können. In den Hauptrollen: Skipper "Andraschek" der Bavaria 50. In den Nebenrollen eine verängstigte Männercrew. Ich habe ihn "Andraschek" genannt, weil seine Flüche so spektakulär über das halbe Hafenbecken hallten. Slawischen Ursprungs eben. Ständig am Gashebel, vor und zurück, ein bisschen rumschreien, dann wieder vor und zurück. Das Wasser schäumt wie "Andrascheks" Mund. Am Steg laufen die Neugierigen zusammen. Noch lautere Rufe des Skippers. Einer letzten Heldentat bewusst, stürzt sich ein komplett bekleidetes Crewmitglied ins Marinabecken, krault zum Steg, um ein neues Strickelchen zu befestigen. Inzwischen nötigt "Andraschek" den Liegeplatznachbarn mit wüsten Drohungen zum Lösen seiner sämtlichen Moorings, worauf der wohl achtern böse an den Betonsteg kracht. Und dann folgt "Andrascheks" Finale. Er schreit seine Wut hinaus, was seine Crew bis in den Bug der Bavaria bläst. Wütend hämmert "Andraschek" mit den Fäusten auf den Winschen herum. Es wird schlimmer und schlimmer mit dem Kerl. Ein faszinierendes Erlebnis. Ich möchte den Mann gerne kennen lernen, so eine Hingabe, so ein Gefühl, so eine Führungsmentalität. Ja - "Andraschek" weiß, worauf es ankommt. Neue Männer braucht das Land. Irgendwann war aber auch das beste Spektakel vorüber, die Dunkelheit und ein niemals nicht herbeigesehntes Lösen des gordischen Mooringknotens brachte die Bavaria dann doch aus den Schlingen und längsseits an den Steg. Der Massenauflauf der Zuschauer wurde von herbeigerufenen Hilfskräften der Staatspolizei schnell aufgelöst. Und wir gingen nachdenklich zum Restaurant weiter.

21.00 Uhr Ohne Reservierung ein neues Lokal gefunden. Der Wirt erzählt uns von seinem Weingut. Wir mussten seine Roten probieren. Herb und trocken, aber sehr freundschaftlich überredet. Eine nette Kneipenfamilie, von welcher ich mich leicht benebelt persönlich verabschiedet habe. Do Videnja – Auf Wiedersehen.

22.00 Uhr Eine gute Nacht an alle und auch an die Randalierer vom Nachbarboot, die bis 2.00 Uhr früh Gitarre zupfen mussten. Und der Gesang erstmal... - wie heißt der Barde bei Asterix noch mal? Doch unser Crewmitglied Ilse, unsere Retterin, sorgt für Ruhe mit deutlicher Betonung - Frauenpower eben.
Bis nächstes Mal!