Peter Willich

Erster Törn als Skipper in Griechenland

7.10.2000 bis 13.10.2000 im
Saronischen Golf

 

Saronischer Golf - Ein  Revier für Einsteiger !

 Es ist 6:23 Uhr, ich sitze im Interregio nach Frankfurt, bin wieder auf dem Weg zum Büro. Die Gedanken sind aber noch auf der Zefiros, einer Charteryacht vom Typ Feeling 416. Auf ihr haben wir gerade einen tollen Törn erlebt. Alles nahm seinen Anfang 1990, ausgelöst durch eine Einladung von Freunden zu einem Ostseetörn. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ein wenig Erfahrung im Jollensegeln gesammelt. Nun, vom Dickschiffvirus infiziert, folgten Törns, mit Skipper, auf dem Mittelmeer (Cote d` Azur, Adria, Saronischer Golf, Mallorca). Doch durch zunehmenden Berufsstress bei der Crew wie auch beim Skipper droht diese liebgewonnene Tradition einzuschlafen und so beschließe ich kurzerhand, den SKS - Schein über Winter zu machen. Zusammen mit meiner Frau Liane und unseren Freunden Jörg und Helga wird auf der Boot in Düsseldorf der Chartervertrag unterschrieben. Den Saronischen Golf haben wir in so guter Erinnerung, dass dieses Revier unser Ziel sein soll. Der Wind ist hier, bedingt durch die geschützte Lage nicht so heftig wie mitunter in den Küstenrevieren der ägäischen Inseln (wie z.Bsp. den Kykladen). Auch navigatorisch bestehen keine größeren Probleme. Der Mai, Juni und Juli vergehen wie im Flug, bedingt durch intensive Prüfungsvorbereitung sowie dem Praxistörn. Das Lernen wird am Ende belohnt. Die lange Zeit des Wartens beginnt! Wir nutzen die Zeit für eine intensive Törnvorbereitung. So wird das Hafenhandbuch studiert, die jeweilige Seitenzahl in die mittlerweile beschaffte Seekarte Nr. 672 eingetragen und Besonderheiten an der jeweiligen Stelle vermerkt. Trotz gerade absolvierter Prüfung ist es erstaunlich, wie viele, ich möchte schwören, noch nie gesehenen Symbole in der Seekarte auftauchen. Zeichen, die man so schnell vergisst, so mein Gedanke, sollte man vielleicht direkt in der Seekarte erläutern. Gedacht, getan! Die Koordinaten aller im Saronischen Golf vorhandenen Häfen werden in mein Hand-GPS eingegeben. Jetzt ist unterwegs nur noch die Eingabe der Wegpunkte in Abhängigkeit der Wind- bzw. Wettersituation erforderlich. Endlich ist es soweit. Der Tag der Bootsübernahme ist da. Wir sind bereits 3 Tage vorher in Athen angekommen und haben vor Ort an den historischen Stätten die griechische Mythologie auf uns wirken lassen. Melanie, unsere Tochter, hat die Thematik gerade in der Schule behandelt, so dass das Küken diesmal die Henne belehrt. An diesem lang ersehnten Samstag werden nach der Übergabe der Yacht um 13:30 Uhr endlich die Festmacher eingeholt und die Mooring ins Wasser geworfen. Langsam verlassen wir unter Maschine den Hafen Kalamaki. Wir sind auf See! Der Wind ist schwach, zu schwach zum Segeln. Den Bug halten wir direkt auf die Ostseite der Insel Aigina zu. Unser Ziel ist der kleine Fischerhafen von Perdika! Hier waren wir vor sieben Jahren und die Wirtin der kleinen Taverne, eine Deutsche, hatte uns herrliche Fischgerichte gezaubert. Auch Zugang zur kleinen Inselkirche beschaffte sie uns damals. Wird es die Wirtin noch geben? Gibt es die Taverne noch? Wir treffen unsere Wirtin wieder. Mittlerweile gibt es aber mehrere Tavernen. Viele Athener kommen übers Wochenende mit ihren Motoryachten herüber. Der kleine Fischerhafen ist dann überlastet, aber wir haben Glück und ergattern noch ein Plätzchen an der begehrten Kaimauer. Die erste Nacht vor Anker! Kann ich überhaupt schlafen? Die Aufregung wird noch gesteigert durch eine Wassertiefe von lediglich 2,2 m! Nach einem hervorragendem Abendessen und einer Flasche Mythos legen wir uns in die Kojen. Mein Schlaf ist erwartungsgemäß nicht allzu tief! Nach einem morgendlichen Spaziergang entlang des Strandes verlassen wir Perdika mit Ziel Poros. Östlich der Hafeneinfahrt legen wir einen Badestopp ein. Wir hatten Melanie zu diesem Törn überredet und ihr Bade- und Dingifahrmöglichkeiten versprochen. Nun ist es an der Zeit dieses Versprechen auch einzulösen. Nach einem erfrischendem Bad fahren wir nach einer Stunde dem nächsten Ziel entgegen. Mangels Wind laufen wir wieder unter Maschine. Die aufkommende Müdigkeit an Bord, wahrscheinlich ausgelöst durch das monotone Geräusch des Motors, wird unterbrochen durch eine kurze Einweisung in das Tragen der Lifebelts und der Schwimmwesten. Wir genießen die vorüberziehende Landschaft, Poros an Backbord, Methanon an Steuerbord, die frische Seeluft und das Farbenspiel des Wassers. Um 16:30 Uhr nach 12 sm erreichen wir Poros Stadt. Es sind noch genügend Liegeplätze vorhanden. Nachdem wir einen ausgeguckt haben, machen wir in bewährter Weise fest. Diesmal wird fast die komplette Kette ausgelegt, da wir mit starkem Wellengang durch die ein- und ausfahrenden Fähren rechnen. Nach einem Stadtrundgang und einem guten Essen beenden wir den Abend im Cockpit unserer Feeling. Als wir am nächsten Morgen um 10:00 Uhr ablegen, heißt unser Ziel Hydra. Dies soll der Höhepunkt unserer Reise werden. Zum einen wollen wir die Nase nicht weiter aus dem Saronischen Golf stecken, zum anderen haben wir Hydra als einen der schönsten Flecken Erde in Erinnerung. Der Windmesser zeigt am Liegeplatz 0 kn an. Der dritte Tag ohne Wind? Was ist nur los? In der engen Durchfahrt zwischen dem Peloponnes und der Insel Poros werden unsere Bedenken mit 15-20 kn Wind aus Südost weggeblasen. Wir setzen endlich die Segel. Genua und Groß! Der Windmesser zeigt mittlerweile 20 -22 kn an. Kurz schießt mir ein Gedanke durch den Kopf - Reffen?? Nein, endlich ist Wind und dann schon wieder reffen? Ich gehe aber vorsichtshalber nach unten, klariere die Lifebelts und Schwimmwesten und ziehe ein paar feste Bootsschuhe an. Die Schnürsenkel in der Hand höre ich Helga, Melanie und Liane fast gleichzeitig schreien „ wir fallen um!“. Tatsächlich haben wir erhebliche Krängung und es gelingt Jörg nicht, das Schiff in den Wind zu drehen. Der Druck auf der Genua ist zu groß. Ich springe zu ihm, wir reißen die Genuaschot los, starten die Maschine und stehen im Wind. Der Windmesser zeigt mittlerweile 35 kn in den Spitzen. Die Krängung vor ein paar Sekunden und jetzt das fürchterliche Schlagen der Segel lösen bei Melanie große Angst aus. Sie kauert im Niedergang mit zugehaltenen Augen. Ich beschließe Groß und Genua stark zu reffen. Wir fahren mit 4-5 Knoten über Grund und einer erträglichen Krängung in Richtung Feuer Tselevinia. Es macht allen wieder Spaß! Melanie bleibt aber vorsichtshalber mit Lifebelt und Schwimmweste angeschnallt! Ab Tselevinia nehmen wir Kurs auf den Hafen von Hydra. Der Wind kommt mittlerweile fast von vorn, deshalb bergen wir die Segel und fahren unter Maschine. Bei 2200 Umdrehungen pro Minute erreichen wir eine FüG von lediglich 2,5- später 3 kn. Um 14:30 Uhr sind wir nach 14 sm am Ziel. Im Hafen fallen starke Böen ein und meine Hände sind geschwitzt. Alle Liegeplätze scheinen bereits belegt. Die ersten Zweierreihen sind begonnen. Während wir im Hafenbecken kreisen und nach einem Liegeplatz Ausschau halten, gesellen sich noch zwei Schiffe hinzu. Langsam wird es eng und dann immer wieder diese Böen. Hätte ich doch, wie bei unserem Prüfungstörn gelernt, jeden Tag einen guten Schluck für Rasmus ins Meer kippen sollen? Wir beschließen kurzerhand, die kleine Lücke zwischen einem großen Ausflugsdampfer und einer Schweizer Segelyacht anzusteuern. Dreimal müssen wir vor und zurück, bis unter Berücksichtigung des Radeffektes und der Böen das Schiff im richtigen Abstand und einer geraden Linie zum anvisierten Liegeplatz schwimmt. Jetzt schnell den Anker nach unten, während wir gleichzeitig rückwärts auf die Kaimauer zufahren. Die Crew der Schweizer Yacht nimmt die Leinen an und wir sitzen zehn Minuten später im Cockpit. Als der Hafenmeister, wir erkennen ihn wieder am langen grauen Zopf und dem riesigen Rauschebart, vorbeigeht und freundlich unseren Gruß erwidert, wissen wir, hier können wir bleiben. Leider ist der Himmel bedeckt und so können wir unseren Frauen nicht einen dieser von einer Aussichtsplattform zu sehenden, einmalig schönen Sonnenuntergänge zeigen. Nach einem Bummel durch das abendliche Hydra finden wir wieder eine gemütliche Taverne, in der wir köstlich speisen. Den Rest des Abends verbringen wir in der Plicht, bei Kerzenlicht und Rotwein. Ein nettes Gespräch mit unseren Schweizer Nachbarn, Daniel und Sylvia, runden den Abend ab. Am Morgen kommen die Maultiere zum Hafen und werden mit allerlei Ware beladen. Wir bewundern die Geschicklichkeit der Reiter und die Geduld der Maultiere. Der Abschied von Hydra fällt uns nicht leicht und so machen wir noch einen Gang durch die schmalen Gässchen. Wir genießen noch einmal den Blick von oben auf den Hafen. Dann heißt es um 10:45 Uhr „Leinen los“ und hinüber in Richtung Skyllaion. Hier finden wir wieder eine kleine Bucht zum Ankern und Baden. Anschließend geht es bei 10-12 kn Wind aus Ost unter Segeln zurück nach Poros. Unser heutiges Ziel heißt Methana. Zwischen Poros und dem Peloponnes, einer relativ engen Durchfahrt mit viel Fährverkehr, bergen wir die Segel und motoren. Meine Gedanken schweifen noch einmal durch die Gassen von Poros. Ab dem Leuchtfeuer Ak Neda setzen wir wieder Segel und steuern Methana an. Um 17:00 Uhr erreichen wir den sicheren Hafen. Wir liegen vor dem Schwefelbad. Das Hafenhandbuch hat nicht gelogen, es stinkt bestialisch. Wird man diesen Geruch jemals wieder aus dem Schiff bekommen? Wir bangen um die Kaution! Der Ort macht einen zerfallenen, düsteren Eindruck. Wir fühlen uns nicht wohl. Nach dem Abendessen verdrücken wir uns rasch in die Kojen. Am Morgen beschließen wir noch vor dem Frühstück auszulaufen, um in einer Bucht fernab des Gestanks zu frühstücken. Der Gedanke ist noch nicht fertig ausgesprochen, da läuft auch schon der Diesel. Wir finden eine schöne Bucht etwa 2 Meilen nördlich von Methana. Hier frühstücken wir und gehen anschließend schwimmen. Melanie ist mit dem Dingi beschäftigt. Gegen 12:00 Uhr verlassen wir die Bucht mit Ziel Epidaurus. Wir können bei leichtem Wind aus Südost segeln. Etwa 2 sm vor Epidaurus entdeckt Jörg drei Delphine. Sie kommen aufs Boot zu und verschwinden erst ca. 5m vor dem Boot. Nach einem herrlichen Segeltag machen wir gegen 16:30 Uhr mit dem Heck zur Kaimauer und etwa 35 m ausgelegter Kette am Buganker fest. Wir freuen uns, als wir die Feeling 486, mit Daniel und Sylvia an Bord, sehen. Nach einem Erkundungsgang erleben wir erneut einen schönen Abend in einer hübschen Taverne. Die Suche hat sich gelohnt: Wir sind diesmal zwar die einzigen Gäste, aber die Küche ist hervorragend. Es erweist sich als gut, wenn man nicht gleich die Tavernen in den vordersten Reihen wählt. Nach einem üppigen Frühstück am darauffolgenden Morgen nehmen wir ein Taxi, um zum Amphitheater von Epidaurus zu gelangen. Die Akustik ist beeindruckend! Nach der Rückkehr starten wir die Maschine, denn wir wollen Epidaurus in Richtung Aigina-Stadt verlassen. Melanie holt den Anker auf, während ich die Schraube rückwärts drehen lasse, um dem Vorwärtsdrang des Schiffes etwas entgegenzuwirken. Warum? Das weiß ich eigentlich auch nicht so recht. Ich rufe unseren holländischen Nachbarn ein letztes „Tschüß“ zu, wünsche noch einen schönen Törn, als das Geräusch der Maschine plötzlich verstummt. Nein, bitte nicht, doch die Realität ist bitter! Eine Mooringleine hat sich um Schraube und Welle gewickelt. Nach 1,5-stündigem Tauchen, Rätseln, Schneiden, zwischendurch Verschnaufen sind wir erneut startklar. Vielen Dank an dieser Stelle gilt Daniel und seiner Crew aus der Schweiz sowie unseren holländischen Nachbarn, die mit Rat und Tat zur Seite standen. Um 14:30 Uhr verlassen wir, deutlich später als geplant, Epidaurus. Der Wind weht mit ca. 12-15 kn, aber leider aus der falschen Richtung. Wir müssten kreuzen. Dazu fehlt uns jetzt die Zeit und so motoren wir auf kürzestem Weg nach Aigina-Stadt. Wir finden mühelos einen Liegeplatz in dem recht großen Hafen. Nach einem lustigen Abend (Melanie und ich tanzen noch im Schiff Syrtaki) fallen wir müde in die Kojen. Am Morgen machen wir einen Rundgang, bunkern 40 l Diesel und verlassen Aigina mit Ziel Kalamaki. Bei leichtem Wind setzen wir die Segel. Nach einer Stunde schläft der Wind ein. Wir starten den Motor, bergen die Segel und nehmen Kurs auf Kalamaki. Es ist Freitag, der 13.10.2000 und wir machen um 14:10 Uhr am Steg 3 fest. Nach dem Auschecken (ohne Probleme) genießen wir einen letzten Abend in einer fast ausschließlich von Seglern besuchten Taverne in der Nähe des Yachthafens. Später am Boot bekommen wir noch überraschend Besuch. Unsere Freunde aus der Schweiz. Sie haben einen Arzt an Bord. Er macht sich Sorgen um eine Schnittwunde an meinem Finger, welche ich mir in Epidaurus beim Freischneiden der Welle zugezogen habe. Sie hatten uns bereits am Vorabend in Perdika gesucht, aber leider nicht gefunden. Gespannt achte ich auf das Mienenspiel des Arztes, als er meinen Finger, den wir vorsichtig vom Verband befreien, begutachtet. Der Schnitt ist zwar sehr tief und sicher wird eine Narbe zurückbleiben, aber Gefahr einer Blutvergiftung oder Entzündung besteht offensichtlich nicht. Wir sitzen noch ein wenig in der Plicht. Es ist mir peinlich, dass alle Vorräte aufgebraucht sind und wir außer Wasser nichts anbieten können. Gegen Mitternacht gehen wir in die Kojen, denn wir werden bereits um 4:00 Uhr abgeholt. Pünktlich steht das Taxi bereit. Zwei Stunden später heulen die Triebwerke unseres Airbusses auf und wir schauen noch einmal wehmütig auf die Lichter von Athen. Ein langer Winter wartet auf uns!